Ringelpiez mit Darwin Deez

DARWIN DEEZ, das ist dieser asthenische Schnurrbartträger mit zu großem Pullover und engen Röhrenjeans, der sich 2010 zu einem Geheimtipp, Newcomer des Jahres und Wegbereiter neuen Modeanspruchs aufschwang.

(Der Humana-Look ist zwar schon lange in, jetzt, wo er medial ausgerufen wurde, auch endlich offiziell.)

Was den Lockenkopf so sympathisch macht, lässt sich sicherlich mit den Worten Schlichtheit oder Ehrlichkeit beschreiben. Er macht: einfachsten Indiefolk, auch noch über Jahre hinweg am ollen PC im heimischen New Yorker Apartment selbstproduziert. Das gibt auch gleich den nötigen Anstrich von „Das könnte ich vielleicht auch“. Das macht uns Brillenträgern nach Rivers Cuomo (Weezer) erneut Mut, uns auch mit maulwurfartiger Blindheit doch noch zum Rocker und Star der jungen Kreativen aufschwingen zu können. In seiner beschwingten Art hatte der Meister der Lässigkeit gerufen und es kamen gleich so viele seinem Ruf nach, dass der Auftritt vom Lido in das Astra Kulturhaus verlegt wurde. Auch hier war die Hütte annähernd voll, ein Potpourri aus Jung und Alt, Indiepoppern und jungen Hipstern im Tina Turner „Jenseits der Donnerkuppel“-Look.

Vor dem Grinsemann aus New York gab sich aber erst TOTALLY ENORMOUS EXTINCT DINOSAUR die Ehre des Anheizens. Auf der Astra-Internetseite wurde zuvor bereits dubios Stimmung erzeugt ob des zweifelhaft eindeutigen Acts, der da am Plattenteller stand. Schon zu Beginn wurde auch reichhaltig vom Bombast gekostet, die Massen mit Konfetti und Laserbrimborium zum Jubeln gebracht. Auch um darüber hinwegzutäuschen, dass der Chef-Dinosaurier nicht gerade das Rad neu erfunden hat. Eher wurde hier ein britischer Electrokünstler zum Geheimtipp aufgeblasen, der in der Vintage-Welle mitschwimmt und letztendlich klingt, wie Marusha vor über 15 Jahren. Trotz allem FlatEric-Genicke und Bedienen aus Jamiroquais Hutlager bleiben die total enorm ausgestorbenen Dickhäuter (Gibt es da überhaupt einen Superlativ? Ausgestorben ist ausgestorben, oder?) vor allem eines: uninspiriert und als neuer Hype mit dem Muff von gestern eindeutig Jahrzehnte zu spät. Da konnte auch Konfettiregen nichts mehr ausrichten.

Nach einer stark ermüdenden Umbaupause (Warum brauchen Indiefolk-Bands immer so lange? Jetzt mal ehrlich: Ich meine, die brauchen doch kaum Equipment.) ging es los mit wohlig weichem Schunkelpop aus dem Deez-Lager, der den Frühling einläuten sollte. Mit warmem Marshmellow-Bauchgefühl gaben die vier Deezes „Up in the clouds“ zum Besten und verschossen dadurch vorzeitig gleich viel Pulver, das ihnen allzu bald nahezu auszugehen schien. Ausgleichende Zwischenparts mit witzelnden Tanzeinlagen und Mash-up-Mix zwischen Oldschool Hip Hop, Prince, Spice Girls und RATM konnten kaum über das Manko an Umsetzungskraft hinwegtäuschen. Paul Simon`s „You can call me Al“ einzig konnte hier punkten. Fragt sich nur, wer die olle Kamelle noch kennt? Kurz vor dem Schunkel- und Einschlafkollaps rettete „Radar Detector“ als Abschluss den Konzertabend und gab mit der Zugabe „Constellations“ der Masse an Besuchern, wofür sie so zahlreich gekommen waren.

Abschließend lässt sich also festhalten, dass Deez mit seinen Songs zwar viele erreichen mag, er live jedoch auch musikalisch recht schwach auf der Brust wirkt aufgrund des „Kennste einen Song, kennste alle“-Dilemmas.