Album des Monats: Mastodons „The Hunter“ in der Analyse

Und wieder einmal bin ich kaum geneigt, mich kritisch auszulassen. Zwar nähern sich MASTODON von Album zu Album immer mehr geneigteren Hörgewohnheiten an – auch The Hunter reißt nicht mehr so sehr den Kopf ab, wie es Remission einst tat – , doch auch im melodieorientierteren Zeitalter der Bartträger aus Atlanta bleibt meine Kinnlade baff unten.

Scheinbar tat den Jungs die Abkehr vom konzeptionellen Zwangsgerüst gut. Mit Remission (Feuer), Leviathan (Wasser), Blood Mountain (Erde), Crack the Skye (Luft) ist die alchemistische Sause der 4 Elemente-Grundordnung auch endgültig ausgereizt, was ich – Crack the Skye im Vergleich mit den Vorgängern eher als zu glatt empfindend – dankbar aufnehme. Zwar schöpft das Quartett auch weiterhin aus dem Vollen, jedoch vollzieht sich das äußerst detailreiche Gegniedel dieses Mal auf engstem Raum. Die Stücke sind deutlich kürzer und im Vergleich kompakter, wenn auch weiterhin stark komplex. Der die nötige Dreckigkeit verleihende Sludge-Faktor wird beibehalten und während der ganzen Platte konsequent verfolgt, in „Curl the Burl“ sogar erweitert, ein Plus, der MASTODON erneut von klinisch klingenden reinen Prog-Bands abgrenzt. Allgemein zeigt The Hunter wieder die immense Bandbreite der Gruppe, die ohne Nischendenke mit breiter Genre-Kelle auftischt.

Bereits der Einstieg „Black Tongue“ zieht mit und kredenzt fettes Riffing. Wer davon allein nicht in den Bann gezogen wird, ist spätestens mit bereits erwähntem Sludge-Ohrwurm „Curl the Burl“ infiziert und taucht oder schwebt in MASTODONs sphärisch-esoterische Welten. Derartig detailverliebte Heftigkeit zieht sich etwa bis zur Mitte des Albums, wo es mit dem Titeltrack eine erste mildernde Zäsur gibt. Ähnlich wie beim Vorgängeralbum* widmet sich der namensgebende Track „The Hunter“ persönlichen Schicksalsschlägen und dient der persönlichen wie musikalischen Seelenverarbeitung. (*Titeltrack „Crack the Skye“ war als Hommage an Brant Dailors verstorbene Schwester Skye gedacht. „The Hunter“ ist nun dem kürzlich bei einem Jagdunfall verstorbenen Bruder von Sänger und Gitarrist Brent Hinds gewidmet.)

Die zunehmend ausgefeilteren Arrangements, speziell die sich immer weiter ausbauenden Gesangsharmonien sind inzwischen eine Stärke der Band wie der aktuellen Platte. Während dem Erstling Remission noch anzuhören war, dass aus Not und Mangel eines Sängers der ungewöhnliche Schritt gegangen wurde, sowohl Drummer, Gitarrist und Bassist für diese Position zu besetzen, zeugt The Hunter für ein gutes Gefühl für Mehrstimmigkeit. Auch der Zitatreichtum zeugt von einer Band, die sich gern in die Töpfe gucken lässt. Hie und da blitzen QUEENS OF THE STONE AGE- Elemente durch, wird PINK FLOYD gehuldigt oder gibt es gelegentliche VOIVOD-Schnipsel.

Kurzum: The Hunter ist ein weiterer großer Wurf Mastodons, der sie auf der Überholspur hält und vielen Granden der harten Szene zeigt, wie man seine Stileinflüsse gebündelt und klar strukturiert eine absolute Überscheibe produziert.

Album des Monats: Jona:S „Grau“

Glaubt man JONA:S` Texten, dann steckt ganz pessimistisch hinter jeder weißen Weste auch ein schwarzes Schaf, verschwimmt jedwedes bunte Kolorit früher oder später zur fahlen Tristesse. Tanztaugliche Melancholie würde ich das nennen, die mit auf Synthiepop-Schnüre gezogenem Deutschrap dazu anstachelt, die Trauerränder von der Emoplatte zu kratzen. „Scheiß auf Junimond, lass Träume zu Ende gehen, zieh die Klamotten aus und dusch dich im Novemberrain.“ Ganz so plakativ und schlimm ist es um JONA:S zwar dann doch nicht bestellt, auch wenn ihr teils melancholisch lebenserfahrener Mix nicht grad die Gute-Laune-Platte des Monats wird. Die Giessener Reimemeister schaffen jedoch mit „Grau“ textgewaltig den Spagat zwischen Lebensbejahung und skeptischer Schwarzmalerei und damit den Soundtrack für jeden Großstadtneurotiker.

Album des Monats: Alle Wege führen nach „Rome“

Der Monat ist zwar noch jung – damit also auch musikalisch noch einiges an Edelscheiben im Kommen – für mich gilt „Rome“ dennoch schon mit vorzeitigem Wagemut als Platte des Monats (wenn auch schon am 16. Mai veröffentlicht).

Die Sonne hat sich endlich ausgekäst und scheint beständig, Sommerhippesk durchstreift die Straßen. Was passt da besser als ein smoothes Album von DANGER MOUSE. Es scheint fast, dass alles, was Mr. Burton berührt, unweigerlich zu Gold wird. Wieder einmal hat Meister Midas an den Reglern zur Kollab gerufen und gekommen sind neben dem italienischen Komponisten Daniele Luppi sowohl Edelstimme Norah Jones als auch Ex-Weißstreifen Jack White. Wer denkt, bei einem Spaghettiwestern-Hommage-Album gäbe es nun nichts mehr zu toppen, verkennt die Lage. Was liegt bei solchem Ansinnen näher und ist ungleich die endgültige Definition von „dicke Hose“ und „Nicht kleckern, sondern klotzen“? Wenn man für den perfekten Sound die Goldkehlen einlädt, die dereinst unter der Ägide von keinem geringeren als Ennio Morricone den Genreklassiker „The Good, the Bad and the Ugly“ einsangen. Denn komplettiert durch den Chor Cantori Moderni atmet „Rome“ den Staub vergangener Westerntage, wird vor dem Hörerauge das Dornengestrüpp erzeugt, das sich seinen unendlichen Weg durch verlassene Wild West-Städte bahnt und raunt aus der Ferne noch knarzend die Saloon-Schwingtür. Alles in allem hat das Gespann Burton/Luppi ein Album kreiert, das so dicht und eingängig auf zwei gestiefelten Beinen steht, dass es den Film dazu nicht mehr braucht.

           Danger Mouse & Daniele Luppi – Two Against One (vocals: Jack White)